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Batı Trakya

Türkei-Beitritt: Brüssel öffnet die Tore

08.10.2004
Die EU-Kommission hat Beitrittsverhandlungen mit der Türkei empfohlen. Endgültig darüber entscheiden die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel am 17. Dezember. Dann soll auch der Starttermin festgesetzt werden.

Die EU-Kommission hat sich für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ausgesprochen. Das Kollegium folgte am Mittwoch in Brüssel einer entsprechenden Empfehlung von Erweiterungskommissar Günter Verheugen, wie Agrarkommissar Franz Fischler mitteilte. Ein Datum für den Beginn der Gespräche wird in dem Bericht dem Vernehmen nach nicht genannt. Dies ist Sache der EU-Staats- und Regierungschefs, die auf ihrem Gipfel am 17. Dezember in Brüssel endgültig über die Aufnahme von Verhandlungen entscheiden.

Schutzklauseln führten zur Unterstützung

Der Kommissionsbericht dient dem Gipfel als Grundlage. Auch kritische Kommissare wie der Österreicher Fischler stimmten der Vorlage zu. Ihre Unterstützung gewann Verheugen dem Vernehmen nach mit mehreren Schutzklauseln, um die Folgen eines möglichen EU-Beitritt des Landes abzufedern. So sollen die Beitrittsverhandlungen ausgesetzt werden können, sollte die Türkei gegen demokratische Prinzipien verstoßen. Zudem vorgesehen ist eine dauerhafte Schutzklausel gegen eine unbegrenzte Zuwanderung türkischer Arbeitskräfte in die alten EU-Staaten. Die Türken vor den Toren Brüssels

Verheugen hatte sich bereits vor Beginn der Sitzung optimistisch geäußert. Er erwarte zwar eine lange Diskussion, "eine sehr schwierige Diskussion, aber ich erwarte ein gutes Ergebnis", sagte er. Auch EU-Kommissionspräsident Romano Prodi ging von einem Konsens der Kommissare aus. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte bei einem Besuch des Europarats in Straßburg am Dienstagabend, er erwarte ein "positives Ergebnis".

Die 25 EU-Regierungen müssen den von der Kommission empfohlenen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Dezember einstimmig zustimmen. Auch ein Beitritt nach erfolgreichen Gesprächen kann nur einmütig beschlossen werden. Die Positionen der wichtigsten Staaten im Überblick:

DEUTSCHLAND: Die rot-grüne Regierung unterstützt die Beitrittsverhandlungen ebenso wie die Wirtschaft. Die CDU/CSU wirbt mehrheitlich für eine privilegierte Partnerschaft, die der Türkei ein besonders enges Verhältnis zur EU, aber keine vollen Rechte zubilligen würde. Ende September sprachen sich in einer ARD-Umfrage 55 Prozent für einen mittel- bis langfristigen Beitritt aus, 41 Prozent waren dagegen. Andere Umfragen zeigen eine Mehrheit gegen einen Beitritt.

FRANKREICH: Präsident Jacques Chirac unterstützt einen Beitritt der Türkei, aber seine Partei UMP ist dagegen. Chirac hat ein Referendum über den endgültigen Beitritt versprochen. In einer Meinungsumfrage Ende September waren 56 Prozent der Befragten gegen einen Beitritt, 36 Prozent dafür. 68 Prozent konnten sich allerdings einen Beitritt zu einem späteren Zeitpunkt vorstellen.

GROSSBRITANNIEN: Die Labour-Regierung unter Tony Blair gehört zu den stärksten Befürwortern von Beitrittsgesprächen, auch die Opposition ist weitgehend dafür. Europaskeptische Boulevardblätter warnen vor einem Massenzuzug von Türken.

ITALIEN: Regierungschef Silvio Berlusconi unterstützt einen Beitritt, sein Koalitionspartner Liga Nord ist dagegen. Auch im Vatikan, der großen Einfluss auf die italienische Politik hat, gibt es Vorbehalte gegen das überwiegend von Moslems bewohnte Land.

ZYPERN: Die international anerkannte Regierung des griechischen Südens der geteilten Insel hat ihre Haltung nicht offiziell bekannt gegeben, aber Präsident Tassos Papadopoulos hat kürzlich erklärt, ein Veto sei die Sache großer Länder.

NIEDERLANDE: Regierung und der größte Teil der Opposition sind grundsätzlich für den Beitritt. Die Niederlande sind bis Ende des Jahres EU-Ratspräsident. Die liberale VVD-Partei fordert ein Referendum über einen späteren Beitritt.

ÖSTERREICH: Kanzler Wolfgang Schüssel will erreichen, dass in den Verhandlungen auch eine Teilmitgliedschaft angesprochen wird. Sein Koalitionspartner FPÖ hat mit einem Bruch der Regierung gedroht, falls Schüssel Verhandlungen zustimmt. In einer Gallup-Umfrage waren im September 76 Prozent gegen die Eröffnung von Gesprächen.

GRIECHENLAND: Die konservative Regierung setzt die Annäherungspolitik ihrer sozialistischen Vorgänger fort und unterstützt Beitrittsgespräche mit dem einstigen Erzrivalen trotz der ungelösten Zypernfrage.

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