ABTTF
DE
ABONNIEREN SIE UNSEREN NEWSLETTER Bülten İcon
Batı Trakya

Mit Feindbildern kann die deutsche Politik ihre Strukturkrise nicht überwinden

25.08.2005
ABTTF-Pressebüro, Witten, 25.08.2005

Der ABTTF-Vorsitzende Halit Habipoğlu: „Mit Feindbildern kann die deutsche Politik ihre Strukturkrise nicht überwinden“

Die im Vorfeld der Bundestagswahlen insbesondere in Kreisen der christdemokratischen Parteien CDU und CSU immer wieder aufkommenden Diskussionen, ob die mögliche Mitglied­schaft der Türkei in der Europäischen Union für den Wahlkampf genutzt werden solle, hat nach Ansicht des Vorsitzende der Föderation der West-Thrakien-Türken in Europa (ABTTF) Halit Habipoğlu keinen anderen Zweck als von den wirklich drängenden Fragen wie Arbeitslosigkeit und sinkender Kaufkraft abzulenken: „Parteien, die Regierungsverantwortung über­nehmen wollen, sollten Lösungen erarbeiten anstatt unproduktive Diskussionen zu führen.“

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte in den vergangenen Tagen erklärt, dass der Vorschlag, die Ablehnung eines EU-Beitritts der Türkei durch seine Partei im Wahlkampf noch stärker zu betonen, zurückgewiesen worden sei und dass die Partei dieses Thema nicht direkt zum Wahlkampfthema machen werde. Halit Habipoğlu bewertete dies als positiven Schritt und forderte: „Parteien, die Regierungsverantwortung über­nehmen wollen, sollten Lösungen erarbeiten anstatt unproduktive Diskussionen zu führen.“ Die wirtschaftliche Krise, in der sich Deutschland befindet, erinnere ihn an die langen Jahre wirtschaftlicher Schwierigkeiten in Griechenland, sagte Habipoğlu: „In Griechenland hatten die politischen Parteien, anstatt nach Lösungen für die Strukturprobleme zu suchen, die Feindseligkeit gegenüber der Türkei und den Türken geschürt, und dies spiegelte sich in Zwangs- und Unterdrückungsmaßnahmen gegen unsere Minderheit wieder. Erst Jahre später erkannte man, dass man durch diese Politik nur der eigenen Gesellschaft schweren Schaden zugefügt hatte.“ Er hoffe, dass in Deutschland nicht die gleichen Fehler wiederholt werden, erklärte Habipoğlu.

Einwanderungs- und Integrationspolitik müssen klarer werden

Neben den großen Problemen im Wirtschaftsbereich komme auch den Themen Migration und Integration große Bedeutung zu, betonte Habipoğlu. „Im Hinblick auf Migration und Migranten waren jahrelang keine positiven Schritte unternommen worden. In den letzten zwei Legislaturperioden ist die Regierungskoalition aus SPD und Grünen auf diesem Feld in die Offensive gegangen und hat im Bereich der Migration für neue Perspektiven gesorgt. Es muss jetzt klar gesagt werden, ob diese neuen Linien unter einer CDU-geführten Regierung fortgeführt werden sollen und welche Richtung die Politik in den Bereichen Migration und Integration einschlagen wird.

Die Diskussionsführung der Beitrittsgegner habe die 2,6 Millionen dem Schicksal der Türkei verbundenen Migranten in Deutschland verärgert, erklärte Habipoğlu. Er habe mit Bedauern erkennen müssen, dass die CDU-CSU ihr Versprechen, die Einwanderer nicht als Argumentationsmittel für die der Beitrittsdiskussion zu missbrauchen, nicht gehalten habe. „Die Unionsparteien bemühen sich weiterhin, nicht mit ihren politischen Vorhaben, sondern mit dem Thema Türkei die Tagesordnung zu bestimmen,“ stellte der ABTTF-Vorsitzende fest.

Kritik an Beckstein

Gleichzeitig mit der Ankündigung führender Politiker der Unionsparteien, dass eine EU-Mitgliedschaft der Türkei im Wahlkampf nicht in den Vordergrund gerückt werde, sagte der bayerische Innenminister Günther Beckstein gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, die Türkei nicht das herausragende Thema im Bundestagswahlkampf und sollte auch bis zur Wahl nicht stärker herausgestellt werden. Er sei aber der Meinung, dass die Türkei ein Thema sei, das nicht vernachlässigt werden dürfe. Wenn die Türkei tatsächlich EU-Mitglied würde, wäre sie das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung der EU und würde innerhalb weniger Jahre zum bevölkerungsstärksten Land werden. „Eine Europäische Union, in der die Türkei die führende Nation ist mit mehr Gewicht als Frankreich oder Italien, das wäre aus meiner Sicht unvorstellbar,“ sagte Beckstein.

Die Äußerung Becksteins sei im Grunde nicht gegen die Türkei gerichtet, erklärte dazu Halit Habipoğlu. Sie stelle sich vielmehr gegen das Projekt der Europäischen Union, das darauf abzielt, anstelle der überkommenen nationalstaatlichen Strukturen eine neue gemeinsame Identität und Zukunft zu errichten. „Als europäischer Bürger verurteile ich eine solche Sichtweise, die in der Union ein Gebiet sieht, um dessen Vorherrschaft die Nationen wetteifern. Die Europäische Union ist kein Eroberungsgebiet der Deutschen, Franzosen, Italiener oder Türken, sondern die Grundlage der gemeinsamen Ideale.“
FOTOGALERIE